Drei Exkursionen:
Bildkompositionen
A. H. Payne, 1840er
Im Weitwinkel
G. Kobold, Serie 1800
Panorama Wilhelmshöhe
Postkarte 1907
2. Zuerst noch etwas Hintergrundgeschichte
Das ehemalige Kloster Weissenstein wurde im 16. und 17. Jahrhundert von den Landgrafen von Hessen-Kassel als Lustschloss genutzt, also als Vergnügungsort. Von hier aus starteten die Jagdgesellschaften in den Habichtswald, auf breiten, heute noch sichtbaren Schneisen. Diesen Serpentinen entlang konnten sogar Fuhrwerke die Anhöhe erreichen, auf der um 1700 Landgraf Karl das Herkules-Monument errichtet ließ und Prospekte für die Planung einer barocken Anlage von oben bis hinunter zum Schloss in Auftrag gab.
Ein Zeitsprung: Karls Enkel Landgraf Friedrich II. beauftragt ebenfalls Maler und Zeichner mit der Anfertigung von Prospekten. Gemälde J. H. Tischbeins zeigen, wie Schloss Weissenstein aufgestockt und erweitert wird. Dessen Ausmaße und einige Nebengebäude wie Orangerie, Kapelle, Alchemie und Marstall sind von der Stadt aus zu erkennen. Gegenüber, auf der Bergseite, erstreckt sich ausgedehnt und relativ plan das Parterre. Auf dieser spätbarocken Gartenanlage findet höfisches Leben statt, der Bereich fungiert als nach draußen reichendes "Wohnzimmer", denn er schließt direkt an das Corps de Logis, den Wohntrakt des Schlosses an. Die ebene Fläche ist geometrisch gestaltet, Rasenstücke, Wege, Pflanzenbeete und Hecken sind in Form gebracht. Friedrich plant eine Allee mit Statuen rechts und links, die griechische Götterwelt wäre hier versammelt.
Das weitläufige Parterre endet an dem für die Reputation des Landgrafen so wichtigen dreipassförmigen Fontänen-Bassin. Von hier aus ist eine Verbindung zum ansteigenden Hang, also Richtung Kaskaden und Herkules sichtbar, eine Allee von Linden rechts und links der Sichtachse entlang.
Im Bassin steigt die Große Fontäne auf, deren Höhe ist für Friedrich, ebenso wie bereits 50 Jahre zuvor für Landgraf Karl, eine Prestigefrage. Den Vergleich zur Anlage Herrenhausen im Königreich Hannover und zum Versailles des französischen Königs Ludwig XIV. muss Hessen-Kassel standhalten, im Wortsinn. Denn alle Planungen rund um den Bergpark zielen darauf ab, die kleine Landgrafschaft als finanzkräftigen und ebenso als wirtschaftlich und technisch innovativen Staat zu beweisen. Nicht zufällig wählt Friedrich für die Skulptur auf der kleinen Insel in der Mitte des Teiches Herkules aus. Ein Herkules oben und unten, und zudem, der auf der Insel erschlägt den Höllenhund Kerberus.
Zurück zur Gartengestaltung, rechts und links vom Teich gehen geordnet Wege ab, beispielsweise zum Schneckenberg am Nordrand. Diesen krönt ein Apóllontempel, ein allerdings instabiler Holzbau, der in den frühen 1790er Jahren abgerissen wird. Das gehört zum gänzlichen Entfernen von Fixpunkten (Skulpturen) und Verweisen (Tafeln) auf die Antike, die Friedrich II. in den Park setzen ließ. Landgraf Wilhelm IX. befiehlt bereits 1786, also kurz nach dem Tod des Vaters, solche Gestaltungselemente zu entsorgen. Er bezeichnet diese in seinen Memoiren als "Sammelsurium von Holzstaffagen und schlechten Statuen". Der Fürst wünscht eine Planungsperspektive in Richtung englischer Landschaftsgärten und palladianischer Schlossbauten.
3. Jussow steigt in diese Vorhaben und bereits vollzogene Umgestaltungen ein.
Seine Planungen sind sehr anspruchsvoll: Er will die bestehenden Seitenflügel und den im klassizistischen Stil geplanten Mitteltrakt zu einer stimmigen Schlossanlage ausbauen. Unklar ist noch, ob die drei Teile verbunden werden oder freistehen sollen. Das würde den Blick von der Stadt oder vom Lac aus auf die Fontäne freigeben. Wie wirkungsvoll die große Fontäne zwischen dem Weißensteintrakt und dem Corps de Logis hindurch in Szene gesetzt werden kann, zeigen Grafiken aus der Zeit.
Sollen die Verbinderbauten zu den drei Schlossteilen aufgestockt werden? Wie soll er mit Wilhelms Vorliebe für Ruinen umgehen? Auf Wilhelms Ruinen-Leidenschaft zugeschnitten hat Jussow bereits die Idee für einen ruinösen Mitteltrakt zeichnerisch darstellen müssen, ein Vorhaben, von dem er den Fürsten aber abbringen kann, entschieden unterstützt von Simon Louis du Ry, seinem Vorgänger im Amt. Zeitgleich erarbeitet Jussow die Pläne für die Felsenburg, einem Prestigeobjekt des Landgrafen. Wilhelm konzentriert fortan sein Interesse ganz auf dieses Ruinen-Projekt, auf die später von ihm so bezeichnete Löwenburg. Und die Löwenburg wird ja auch der Fixpunkt, um die die Bedeutung der romantischen Architekturen im neuen Landschaftsgarten zu erfassen. Hier bewährt sich die visionäre Kraft und Meisterschaft Jussows als Architekt und zugleich Gartenplaner.
Es ist einerseits eine Daueraufgabe für ihn, mit zahlreichen Prospekten und Entwürfen den Landgrafen zu versorgen und Abbildungen vorab zu sortieren. Zielsicher konzentriert er sich auf eigene Planungen, um Schritt für Schritt den barocken Park in einen Landschaftsgarten einbeziehen zu können. Genial ist, wie der Hofbaumeister dabei einige barocke Elemente auswählt und betont, um sie als wohlgeordnete Szenarien im neuen, dem im romantischen Stil konzipierten Park nicht nur zu belassen, sondern auf eine Umformung auszurichten.
4. Es stellt sich folgende Kernfrage:
Wie kann es gelingen, die zentrale, auf die barocken Kaskaden weisende Mittelachse in ihrer Wirkung zu bewahren, mit scheinbar natürlich belassenen Elementen eines Landschaftsgartens zu verbinden und sogar in der neuen, romantisch ausgerichteten Parkgestaltung noch genügend zur Geltung kommen zu lassen?
Der Umbau des Parterres spielt eine zentrale Rolle. Das dreipassförmige Fontänen-Bassin muss seine geometrische Ausformung verlieren und wird zum unregelmäßigen, scheinbar von der Natur geformten Teich. Die kleine Insel mit der "Großen Fontäne" rückt aus der Mitte nach rechts, daneben leitet der neue Apóllon-Tempel (auch Jussow-Tempel genannt) den Blick hinüber zu den Penéus-Kaskaden, die das vom Aquädukt kommende Wasser aufnehmen und dem Fontänenteich zuführen.
Aus dem streng gegliederten Parterre wird ein Bowlinggreen, eine Rasenfläche von unregelmäßigen Wegen durchzogen und mit unregelmäßig gesetzten Bosketts bestückt. Vom Schloss aus betrachtet ziehen Fontäne, Tempel und die Kaskaden gerade wegen der Platzierung neben (!) der zentralen Sicht-Achse hoch zum Herkules die Aufmerksamkeit auf sich. Mit Penéus und Apóllon verweisen griechische Helden auf die antike Mythologie.
Drängt diese Neben-Anordnung im Gartenbild nicht sogar dazu, die in der Mitte angesiedelte Götterwelt in den Blick zu nehmen, markiert durch Plutogrotte und Höllenteich (Element Feuer). Die kundigen Besucher wissen, dass dieser Verweis auf die Mythologie die Aufmerksamkeit sogar noch weiter nach oben lenkt, über das Neptunbassin (Element Wasser) hinaus hoch zu den Grotten und der eingestürzten Behausung der Götter und Titanen unterhalb des Oktogons. Herkules hilft den Göttern, er besiegt den aufständischen Titan Encelados. Fortan kann der Held vom Himmel (Element Luft) herabschauen.
Ein Spiel mit der Mitte ist noch an einer anderen Anlage zu erkennen, dem auf den ersten Blick unscheinbar angelegten Fontänen-Reservoir. Gartenarchitekt H. C. Jussow vermittelt genial zwischen barocken und romantischen Ideen, wenn er 1792 im Zuge der Neugestaltung des Bergparks diesen Teich genau zwischen Plutogrotte und Neptunbecken ausheben lässt. In ihm sammeln sich die Wasser, die von der barocken Kaskade abfließen, um sich mit dem vom Asch hergeleiteten „flüssigen Element“ zu vereinen. Der Bergsee Asch ist das Reservoir für drei sentimentale Inszenierungen des herabstürzenden Wassers. Das erste von drei ruinös in das Gelände eingearbeiteten Bauwerken ist der Steinhöfersche Wasserfall, Kanäle weisen den Besuchern den Weg zum zweiten und dritten, zur Teufelsbrücke und zum Aquädukt. Anschließend folgen die Gäste den Penéuskaskaden entlang hin zum Fontänenteich.
Also auch das "barock gebändigte Element“ Wasser steht dem romantischen Theater zur Verfügung. Das ist einmalig und das zweite, meines Erachtens zu wenig beachtete Alleinstellungsmerkmal des Landschaftsgartens im Bergpark Wilhelmshöhe. Zur Erinnerung, das erste Alleinstellungsmerkmal ist die Konstruktion der barocken Wasserkunst ausgehend vom Oktogon, die Grotten hinab und über die Kaskaden hinunter in den Neptunbrunnen. Das Ereignis funktioniert heute wie vor 300 Jahren ohne Pumpen – in einem genialen System von Leitungen, Reservoirs, Schiebern, Stufen. Immer wieder neues Wasser fließt hinab, letztlich über den Fluss Fulda bis hin zum Meer. Dort steigt es auf, sammelt sich in Wolken und regnet sich irgendwann über dem Habichtswald wieder ab, um dort im Sichelbach-Reservoir aufgenommen zu werden, bereit für das erneute Anlassen der Wasserspiele.
In der Betrachtung hier steht die Umgestaltung zum Landschaftsgarten im Mittelpunkt. Die Raffinesse der Wasserkunst an den Grotten und der Kaskade genauer aufzuzeigen und zu bewerten, muss in einem gesonderten Essay erfolgen. Es sollte aber deutlich geworden sein, dass die barocke Anlage der Kaskaden und das barock definierte mythologische Geschehen unterhalb des Oktogons für die Bewertung des romantischen Teils des Bergparks mehr als eine Notiz wert. Es lohnt sich, das zu verdeutlichen.
5. Jussow nimmt die Idee der Grotten und Ruinen auf
Diese veranschaulichen baulich den Kampf der Götter mit den Titanen. Besucher können das sehen und spüren. Weit oben unter dem Oktogon ragen wuchtige Felsbrocken aus dem Erdinnern. Sie bilden den Hintergrund für die barocke Szenerie des Riesenkopfbeckens. Dort drückt der vom Held besiegte und unter Gestein verschüttete Titan Encelados seinem Bezwinger einen 12 Meter hohen Wasserstrahl entgegen. Darüber, also direkt unter dem grottigen Plateau des Oktogons, scheinen die springenden Wasser aus dem Artischockenbassin in einer Fontänen Ansammlung den Sieg zu feiern. Dort, dahinter und wiederum in einer Grotte, fast verborgen in einer Nische, sitzt Pan, der Gott des Waldes und der Natur. Er spielt die Hirtenflöte, erwartet die Besucher, die sich vom überraschend aufsteigenden Vexierwasser erheitern lassen, das aus den im Boden verborgenen Düsen springt. Im barocken Wasser-Theater spiegelt sich die geometrische Ausrichtung von Bauwerken, im Tanz, der Musik, der Überformung der Natur, der Wegesysteme. Das Ganze ist auf das Bestaunen der Gäste Landgraf Karls ausgerichtet. Die die strengen Regelwerke im absolutistischen Staat können durchbrochen werden. Das gilt für Mitglieder der Hofgesellschaft und Besucher von Stand und hier im geschützten, abgetrennten Raum.
Zu diesem barocken Verständnis passen auch die Kunstwelten von Idylle und freiem dörflichen Leben sowie der chinoise gestalteten Siedlung am Mulang-Hang in der Wilhelmshöhe. Friedrich II. hat damit begonnen, die vom Schloss aus so schön zu betrachtende Südseite des Parks derart gestalten zu lassen. Gelbe Häuschen, Pagode, Moschee, Mühle, ein Flusslauf, alles zusammen eine Dorfidylle und für die Zeit ein wirkungsvolles Repräsentationsobjekt. Arkadien lässt grüßen.
Die Wasserkunst im romantischen Landschaftsgarten nimmt dieses Durchbrechen der barocken Strenge nicht nur auf, sondern führt sentimentale Gedanken um Idylle und Natur überhöht aus. Die romantischen Inszenierungen spielen mit Empfindungen, mit der Wahrnehmung, sorgen für Überraschungen. Ausgehend vom Steinhöferschen Wasserfall folgen die Besucher dem abfließenden Wasser, entlang der wenig einsehbaren Wege, sind erstaunt über das immer wieder neu von Prellsteinen in den Kanälen erzeugte aufschäumende Nass, sind begeistert, wenn die Wasser unterhalb der Teufelsbrücke tief hinab fallen und später am Aquädukt mehr als dreißig Meter hinab stürzen und eine Gischt erzeugen. Überhaupt, die Wasserstürze sind das starke Medium des sentimental gestalteten Landschaftsgartens.
6. Vielfalt der Sichtachsen
Ebenso stark wirken die offenen und verdeckten Sichtachsen. Die von Jussow eingeleitete Neugestaltung bestätigt die Hauptsichtachse in der Abfolge Schloss – Fontäne – Plutogrotte – Herkules. Eine Mittelachse kreuzt diese Linie, auf der Höhe der Plutogrotte. Diese ist der Schnittpunkt beider Achsen-Bilder. Hier treffen sich zwei gerade Linien, die eine zwischen Löwenburg und Aquädukt und die andere entlang der Mittelachse. Doch die Nord-Süd-Linie ist nur auf Plänen des Bergparks erkennbar, von links nach rechts laufend. Was jetzt irritieren könnte, die Stationen der Wassertheater
folgen verschlungenen Kanälen und lenken die Besucher entlang sich im Gelände windender Wege. Diese begehbare, krumme Mittelachse beeinflusst unsere Wahrnehmung des Bergparks eindringlich und sie verschafft uns beim Spazierengehen einen nur scheinbar ungezwungenen Blick auf den Verlauf der Wasserszenerie.
Das ist typisch für Landschaftsgärten. Diese bieten uns Überraschungen und nicht sofort erkennbare Richtungen, Endpunkte und Ereignisse an. Es ist ein Spiel mit Erwartungen und damit, wie wir dargebotene Landschaftsbilder intuitiv erfassen.
Ähnliche Gelegenheiten zur Einstimmung auf ein Parkerlebnis verbergen sich in der Anlage des Bowlinggreens zwischen Fontänenteich und Schlossterrasse. Wie bereits angedeutet, verabschiedet sich Jussow vom Konzept eines Parterres. Die Fläche vor dem Schloss öffnet sich für Besucher, lädt zum Spazierengehen und Erkunden des Bergparks ein. Die Hauptachse hochzuschauen fasziniert, aber weitere Sichtachsen kommen in den Blick und positionieren unsere Aufmerksamkeit neu.
Die unregelmäßigen Baumpflanzungen rechts und links des Bowlinggreens veranlassen Gäste und Besucher, die Ränder abzusuchen. So erfasst der Blick von der Schlossterrasse aus zunächst die Halle des Sokrates. Das gelingt deshalb, weil sich diese Kleinarchitektur etwas in einem Boskett (Gebüsch) versteckt, aber gleichzeitig genügend sichtbar bleibt, um den kleinen Tempel und dessen ionischen Säulengang zu entdecken. Nehmen wir nicht dann eine Diagonale wahr, von der Halle über den Apollontempel hoch auf die oben im Text bereits angesprochene zentrale Mitte zu?
Hier treffen sich drei Sichtachsen.
Das ist die senkrechte Linie entlang der Hauptachse vom Herkules hinunter zur Großen Fontäne. Die horizontal kreuzende Linie ist die bereits angesprochene, nur auf Parkplänen erkennbare Gerade. Nicht zufällig ist der Schnittpunkt gewählt. Diesen markiert die dem barocken Denken verbundene Plutogrotte. Jussow ergänzt den mythologischen Ort durch den erst 1793 ausgehobenen Höllenteich und die ebenfalls erst 1793 über den Wassersturz eingefügte Teufelsbrücke südlich daneben.
Barock trifft Romantik.
Eine weitere Sichtachse können Besucher ebenfalls vom Bowlinggreen aus erkennen. An der Plutogrotte trifft sich die zuerst beschriebene intuitiv wahrnehmbare Diagonale von der Halle des Sokrates aus mit einer im starken Baumbewuchs mittlerweile nur schwer auszumachenden Diagonale. Wenn wir uns darauf einlassen, nehmen wir diese wahr als von der südlichen Seite des Bowlinggreens aus angelegte Linie, die sich entlang des Baumbestandes, trotz freiem, ausufernden Wuchses im Baumbestand, erkennen lässt. Das Betrachten von Abbildungen in Flyern und Parkführern und das Suchen nach dem schönen, aussagekräftigen eigenen Foto helfen dabei, eine solche Linie zu finden, zu denken.
7. Intuitiv suchen wir nach die Symbiosen von Barock und Romantik
Sichtachsen beeinflussen das ordnende Sehen, veranlassen dazu, Beziehungen herzustellen. Interessant ist in diesem Verständnis noch eine andere Variante des gelenkten oder zumindest beeinflussten Blickens. Zahlreiche Ansichten auf Postkarten halten scheinbar zufällig eine geschickt angelegte Größenrelation der beiden Kleinarchitekturen fest. Von der Schlossterrasse in der Perspektive hoch zum Herkules erscheinen die Halle des Sokrates und der Apollontempel höhengleich zum weit oben sichtbaren Oktogon.
Es liegt nahe, diese Wahrnehmung als Verweis des Oberhofbaumeisters auf die im Bergpark von ihm gewollte Symbiose von barocker Anlage und naturnah umgestaltetem Landschaftsgarten zu verstehen.
Das ist nicht nachweisbar. Sprechen aber nicht die in historischem Bildmaterial auszumachenden Positionen vor Ort für sich? Es ist die Wahl des Standortes und des Ausschnitts, der unsere Wahrnehmung beeinflusst. Das dokumentieren Zeichnungen und Fotografien, als Ansichten auf Postkarten und Souvenir-Grafiken für die Besucher zum Kauf angeboten. Es sind ebenso Erinnerungsstücke wie die aktuell hochgeladenen Bilder in den sozialen Medien. Zeichner, Fotografen und Besucher scheinen das Spiel mit der Wahrnehmung von Achsen und Diagonalen zu spüren und spontan die von Jussow bewusst angelegte Aufforderung zum Höhenvergleich von Halle, Tempel und Oktogon zu mögen. Das wäre dann ein schöner Beweis für die Wirkung des genial umgeformten Bergparks hin zum romantischen Landschaftsgarten mit barockem Kern.
Das zusammen erzeugt immer wieder neu sowohl eine sentimentale Stimmung als auch die Freude am Spiel mit unserer Wahrnehmung.
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Ein kurzes Nachwort
Die Gartenhistorikerin Marie Luise Gothein beschreibt im zweiten Band ihrer Geschichte der Gartenkunst aus dem Jahr 1914, verlegt Jena 1926, die Umgestaltung der Wilhelmshöhe und stellt die Bedeutung der Löwenburg heraus. "Der Fürst nahm es bitterernst mit der Spielerei". Diesen Fixpunkt im Bergparkkonzept zu würdigen, also die "Ruine" im Kontext der romantischen Wassertheater für sich zu betrachten, das bedarf eines eigenen Essays. Und das könnte von einem interessanten Begriff ausgehen, den M. L. Gothein in der Einleitung zu Band 1 einführt: "Architektonischer Garten". Damit definiert sie die Gartenkunst als Teil der Architektur und würdigt indirekt die Leistung von H. C. Jussow. Dieser ist "von Hause aus" Architekt. Beispiele für gelungene Landschaftsgärten hat er in England studiert. Dort hat er zahlreiche Anregungen für die Gestaltung romantischer Parks vorgefunden, viele Ideen konnte er im Bergpark Wilhelmshöhe umsetzen.
Die Überformung des Bergparks Wilhelmshöhe 1790 – 1810 und unsere Wahrnehmung des romantischen Landschaftsgartens mit barockem Kern