Geheime Post von Mozart
25. Jänner 2010 | 13:17 | | CLEMENS PANAGL (SN). |
Streng vertraulich. Für Facebook-Nutzer ist Privatsphäre ein heikles Thema. Vor Mitlesern musste sich aber schon Mozart schützen.
Das Internet macht Kommunikation zum Kinderspiel. In Freundschaftsplattformen wie Facebook ist die halbe Welt vernetzt. Der Vorteil daran ist, dass man seinen Freundeskreis jederzeit über die eigene Befindlichkeit unterrichten kann.
Der Nachteil im Reich der unbeschränkten Selbst-darstellung: Man kann nie wissen, wer noch alles mitliest. Das Internet merkt sich alles. Und auch Personalchefs schmökern gern im Facebook. Deshalb löst die Plattform immer wieder Debatten um die (Un-)Sicherheit persönlicher Daten und die Privatsphäre im Netz aus.
Dabei ist das Problem nicht neu. Auch historische Zeitgenossen wie Wolfgang Amadeus Mozart, der rund um seinen Geburtstag (27. 1.) ab heute, Samstag, in Salzburg mit der Mozartwoche gefeiert wird, kannten es gut.
Wer zur Mozartzeit mit der Welt in Kontakt treten wollte, schrieb keine Statusmeldung auf Facebook, sondern einfach einen Brief. Der Briefwechsel der Familie Mozart zählt zu den berühmtesten Zeugnissen der Briefkultur. Der Vorteil an Briefen war, dass man Freunde jederzeit über seine Befindlichkeit unterrichten konnte. Der Nachteil: Man konnte nie genau wissen, wer aller mitlas.
„Das Briefgeheimnis war im 18. Jahrhundert kein Begriff“, sagt der Salzburger Historiker Gerhard Ammerer. Wenn Mitglieder der Familie Mozart von ihren Europa-Reisen nach Salzburg schrieben, mussten sie damit rechnen, dass Mozarts Chef, Erzbischof Hieronymus Colloredo, sich ebenfalls dafür interessierte, was sein beurlaubter Hofmusiker so trieb. Der Begriff Zensur, sagt Ammerer, sei zur Mozartzeit bekannt gewesen. Mozarts Vater etwa berichtete einem Freund von einem Brief, den ihm der Postbote geöffnet überbracht habe, mit der Ausrede, „dass er mit dem finger ohngefehr hineingekommen wäre“. Sein Verdacht: „Der Erzb:[ischof] glaubte, weis nicht was darinne zu finden und muthmasste, daß mein Sohn etwa über ihn schmähen und losziehen werde.“
Womit der Landesfürst allerdings nicht ganz unrecht gehabt hätte. Immerhin titulierte Mozart in einem anderen Brief Colloredo wenig respektvoll als „Mufti H: C:“, und erhielt dafür von Vater Leopold eine Ermahnung: „Ich bitte dich mein lieber Wolfg: schreib keine solche bossen mehr vom Muffti (. . .) ein solcher Brief könnte verlohren gehen, oder in andere Hände kommen.“
In der Facebook-Ära sollte man in so einem Fall seine „Privacy“-Einstellungen ändern, um sicherzugehen, dass nur ausgewählte Adressaten die Botschaften lesen können. Das „Privacy“-Programm der Mozarts war eine Geheimschrift, bei der zehn Buchstaben des Alphabets vertauscht wurden, um einzelne Worte zu verschlüsseln. „wegen alfnlr splrm [meiner opera] seyen sie ausser Sorg“, hieß es dann etwa verschwörerisch in einem Brief, in dem Mozart 1780 von der Arbeit an „Idomeneo“ berichtete, „(...) ich habe unter der Nsbelool [Noblesse] die mnolunefcuotln [ansehnlichsten] und vlrasgefcuotln umholr [vermöglichsten häuser] und die lrotln Bly dlr ahofck [ersten Bey der musick] sind alle für mich.“
Historiker Ammerer sieht neben der Zensur aber auch einen spielerischen Aspekt bei der Sache: „Mozart hat in seinen Briefen genauso gespielt wie in seiner Musik.“ Und außerdem sei der Brief zur Mozartzeit nicht selten als halb öffentliches Medium gedacht gewesen: „Wenn die Mozarts von ihren Reisen berichteten, war das an eine Person adressiert, aber für den Freundeskreis bestimmt. Leopold Mozart hat mit seinen Briefen ganz bewusst Promotion für seinen Sohn gemacht.“ Es gab sie schon, die Idee der Vernetzung und Selbstdarstellung, nur eben mit anderen Mitteln.
Auch der Leopold-Mozart-Forscher Josef Mancal, der die Funktion der Briefe zwischen vertraulicher Botschaft und öffentlicher Imagepflege analysiert hat, sah in Leopold Mozart einen genialen Netzwerker des 18. Jahrhunderts. Als solcher wusste er zwischen echten und anderen Freundschaften zu unterscheiden und gab Wolfgang einen Rat, der noch für die Facebook-Ära gelten könnte: „ein einziger Mensch unter 1000, der nicht aus Eigennutzen dein wahrer Freund ist, ist eines der größten Wunder dieser Welt.“
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