Die Reise in die Vergangenheit. Ein geschichtliches Arbeitsbuch

Von Schulrat Hans Ebeling
In der Neubearbeitung von
Prof. Dr. Wolfgang Birkenfeld

Band 2
Aus Mittelalter und Neuzeit

Westermann, 1971
(1975 , 7. Auflage)

Porträt Ludwigs XIV., Hyacinthe Rigaud, 1701, Louvre, Paris

„Der junge König Philipp V. (1683—1746), der 1701 als erster Bourbone nach dem Aus­sterben der spanischen Habsburger den spanischen Thron erlangte, wünschte sich in diesem Jahr ein Porträt Ludwigs XIV., seines Großvaters. Der nicht mehr ganz jugendliche Herrscher stand seinem Hofmaler Hyacinthe Rigaud (1659—1743) Modell und war von dessen Werk so begeistert, dass er es behielt und für seinen Enkel eine Kopie bestellte. So blieb das überlebensgroße Porträt (Höhe 2,8 m, Breite 1,9 m) in Paris und hängt heute im Louvre.

Der König trägt die Mode des Barock: ein Spitzenjabot und Spitzenmanschetten, lange Seidenstrümpfe, die bis über die Kniehose (Culottes) hinaufgehen, Schuhe mit hohen, andersfarbigen Blockabsätzen, kokette Schleifchen. Seine königlichen Attribute sind Schwert und Zepter. Der weite, hermelingefütterte Mantel ist Krönungsornat (...). Die Krone dient als Hintergrunddekoration.

Das Gemälde ist echtes Porträt. Bei allem aufgeputzten Ambiente und wie auch immer von Schminke überdeckt — unter der braunen Perücke sehen wir das Gesicht des Drei­undsechzigjährigen mit welken Zügen. Und es ist gleichzeitig glänzende Darstellung einer Epoche, symbolisiert in der gewaltigen Allongeperücke. Die Perücke überhöht und stilisiert — sie entspricht genau den Grundtendenzen der Aristokratie jener Zeit.

Perücken waren etwa seit 1640 modern. Sie ermöglichten es auch denjenigen, denen es an eigenem Haarwuchs mangelte, dem Modetrend der langen Haare zu folgen. So soll - nach einer Anekdote - Ludwig XIV. selbst als junger Mann die Perücke am Hofe eingeführt haben, um seine Glatze zu verstecken. Später gingen die Männer allge­mein dazu über, das eigene Haar völlig zu vernachlässigen, indem sie es ganz kurz schnitten oder den Kopf glattrasierten — die Perücke war eigentliche Frisur. Zu Hause trug man eine Hausmütze.“